Differentialdiagnose
Die Symptome eines AATM unterscheiden sich klinisch kaum von denen einer „gewöhnlichen“ COPD. Typisch sind Dyspnoe, Husten und Auswurf, dennoch gibt es einige Unterschiede zwischen beiden Erkrankungen.
Zur sicheren Abgrenzung muss eine sorgfältige differentialdiagnostische Abwägung getroffen werden. Für die Entscheidung zum Screening auf AATM sind außer den typischen COPD-Symptomen auch die medizinische Vorgeschichte sowie Familienanamnese wichtig.
Standarddiagnostik bei Lungenerkrankungen
Allgemein gehören bei einer Lungenerkrankung eine körperliche Untersuchung, eine Spirometrie, Röntgenaufnahmen des Thorax in zwei Ebenen sowie eine Blutgasanalyse zur Standarddiagnostik.
Ist ein Lungenemphysem schon fortgeschritten, kann die charakteristische Überblähung durch hypersonoren Klopfschall, tief stehende Lungen-Zwerchfell-Grenzen, abgeschwächte Atemgeräusche und verändertes Atemmuster mit Einsatz der auxiliären Atemmuskulatur erkannt werden.[2] Bei der Spirometrie zeigt sich typischerweise eine obstruktive Ventilationsstörung mit einem sogenannten Emphysemknick.[2] Mit der Bodyplethysmografie lassen sich eine Überblähung und ein vor allem exspiratorisch erhöhter Atemwegswiderstand nachweisen.[2] Darüber hinaus kann ein Emphysem mit einem Röntgenbild des Thorax relativ eindeutig diagnostiziert werden. In der Blutgasanalyse hingegen sieht man häufig erst spät eine relevante Hypoxämie in Ruhe.
Erweiterte Standarddiagnostik: CT-Scan
Als Erweiterung der Standarddiagnostik kann eine Computertomografie (CT) des Thorax in hochauflösender Technik und mit Kontrastmittel durchgeführt werden.[2]
Das CT gilt als die sensitivste und sehr spezifische Methode zur Diagnose eines Emphysems, weil es eine recht präzise Dichtebestimmung des Lungengewebes erlaubt.[3] Lungendichte-Messungen mit CT sind 2,5‑fach sensitiver als die Messung des FEV1-Werts (Einsekundenkapazität, forced expiratory volume at 1 second) oder der Diffusions-Kapazität, um eine Progression bei einem Lungenemphysem zu erkennen.[4] Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat die Messung mit CT als ein klinisch sinnvolles Verfahren anerkannt, um in Studien den Einfluss einer AAT-Therapie auf die Progression eines Lungenemphysems zu verfolgen.[5]
Merkmale zur Unterscheidung von COPD und AATM [1,2,6,7,8]
COPD | AATM | |
---|---|---|
Erkrankungsbeginn | Meist erst nach dem 40. Lebensjahr | Oft vor dem 40. Lebenjahr |
Betroffene | Nikotinanamnese | Unabhängig von Nikotinanamnese |
Ursachen | Zigarettenrauch, schädliche Umwelteinflüsse | Vererbung Gendefekt, oft keine Risikofaktoren erkennbar |
Möglicher Hinweis |
| Positive Familienanamnese für Lungenerkrankungen |
Exazerbationen | Exazerbationsrate durchschnittlich 2,5 Jahre Exazerbationsdauer durchschnittlich 1 Woche | Exazerbationsrate durchschnittlich 5/Jahr Exazerbationsdauer durschnittlich 2 Wochen |
Emphysem im Thorax-CT | Häufig apikal betontes Emphysem | Typischerweise basal betontes Emphysem |
Weitere Symptome | Bronchiekasten oder Lebererkrankungen unklarer Ätiologie, nekrotiserende Pannikulitis | |
Diagnose | Spirometrie, Röntgen, CT | Bluttest (für alle COPD-Patienten empfohlen [1]), anschließend ggf. Geno- und Phänotypisierung |
Gesicherte Diagnose
- Die DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie) sowie ATS und ERS (American Thoracic Society und European Respiratory Society) empfehlen die Testung von Patienten mit Emphysem, COPD, Asthma mit nicht vollständig reversibler Atemwegsobstruktion, Bronchiektasen ungeklärter Ursache, Lebererkrankung unklarer Genese und für Erwachsene mit nekrotisierender Pannikulitis, c-ANCA-positiven (Anti-PR-3-positiven) Vaskulitiden sowie für Geschwister und Kinder von homozygoten AATM-Individuen.[1,8]
- In folgenden Patientengruppen sollte die Möglichkeit einer Testung besprochen werden: asymptomatische Personen mit persistierender obstruktiver Lungenfunktionsstörung, Eltern und entfernte Verwandte von homozygoten AATM-Individuen, Geschwister, Nachkommen, Eltern und entfernte Verwandte von heterozygoten AATM-Individuen, Personen mit positiver Familienanamnese bez. Leber- oder Lungenerkrankung, Personen mit Kinderwunsch und hohem Risiko für AATM-bedingte Erkrankungen.[1,8]
Referenzen
[1] Greulich T, Fähndrich S, Clarenbach C, et al. Alpha‑1-Antitrypsin-Mangel (AATM) – Ein Expertenstatement. Positionspapier der DGP. Pneumologie. 2020;74(07):436‑442.
[2] Bals R, Köhnlein T. Alpha‑1-Antitrypsin-Mangel: Pathophysiologie, Diagnose und Therapie; 10 Tabellen. Stuttgart, New York: Thieme; 2010.
[3] Parr DG, Dirksen A, Piitulainen E, et al. Exploring the optimum approach to the use of CT densitometry in a randomised placebo-controlled study of augmentation therapy in alpha‑1-antitrypsin deficiency. Respiratory research. 2009;10:75.
[4] Dirksen A, Dijkman JH, Madsen F, et al. A randomized clinical trial of alpha(1)-antitrypsin augmentation therapy. Am J Respir Crit Care Med. 1999;160:1468‑72.
[5] Stockley RA, Parr DG, Piitulainen E, et al. Therapeutic efficacy of α‑1 antitrypsin augmentation therapy on the loss of lung tissue: an integrated analysis of 2 randomised clinical trials using computed tomography densitometry. Respir Res. 2010;11:136.
[6] Smith DJ, Ellis PR, Turner AM. Exacerbations of lung disease in alpha‑1 antitrypsin deficiency. Chronic Obstr Pulm Dis. 2021;8(1):162‑176.
[7] Steinkamp G, Köhnlein T, Ley-Zaporozhan J, et al. Studienendpunkte beim Alpha‑1-Antitrypsin-Mangel: Interdisziplinäre Aspekte. Pneumologie. 2011;65(04):229‑235.
[8] ATS/ERS, American Thoracic Society/European Respiratory Society Statement: Standards for the diagnosis and management of individuals with alpha‑1 antitrypsin deficiency. Am J Respir Crit Care Med. 2003;168:818‑900.